20 Jahre Verein Haus der Religionen – Beitrag 2/2022 – «Geist und Körper»

GEIST UND KÖRPER

Der Granatapfel, die rote, rundlich, mit Dellen geformte Frucht. Wenn man sie aufschneidet, kann es schnell zu einer Sauerei kommen. Jedoch wird man belohnt mit den kleinen, herzhaft saftigen Kernen. Was für eine faszinierende Frucht.

Das grosse Betongebäude mit dem Mosaikmuster am Europaplatz erinnert mich an die harte Schale des Granatapfels. Das harmonische Zusammenleben der verschiedenen Religionen und des Dialogbereichs verbinde ich mit den saftigen Kernen, perfekt eingebettet in die harte Schale des nicht immer harmonischen Alltags. Das Funktionieren ist allerdings nur gewährleistet, wenn alle Akteure und Akteurinnen der Gemeinschaften und des Dialogbereichs eine offene Kommunikation und offene Haltung pflegen, ohne ihre eigene Integrität zu gefährden. Ansonsten würde es eine «Sauerei» geben, ähnlich wie wenn der Granatapfel falsch aufgeschnitten wird. Diese offene Haltung übe ich persönlich beispielsweise als Kursteilnehmende des CAS- Mediatives Handeln in transkulturellen Kontexten. Für mich heute zentral sind dabei das Aushalten von Meinungsverschiedenheiten und das aktive Zuhören.

Werte, die mir als Mitglied der Sikh-Gemeinschaft, die im Haus der Religionen vertreten ist, bereits als Kind vermittelt wurden. Zum Beispiel wenn ich meinen Vater zu Veranstaltungen begleiten und seine wichtigen Inputs und Lebensweisheiten übersetzen durfte. Vor ein paar Jahren wurde ich mehrmals für Veranstaltungen angefragt, plötzlich war ICH interessant. Nicht mein Vater, nicht mein Cousin oder mein Bruder, welche alle Turbanträger sind, sondern ich, eine junge Sikh-Frau.

Von einem Augenblick zum nächsten war ich proaktiver Teil der Sikh-Gemeinschaft und des Dialogbereichs. Ich tüftelte den Sikh-Workshop aus und war Mitarbeiterin im Bildungsbereich. In zufälligen Begegnungen durfte ich vieles über die verschiedenen Religionen und Kulturen lernen. Am Fête KultuRel haben wir Sikhs einen TurbanWorkshop durchgeführt. Das Schönste war, dass aus anfänglich skeptischen Blicken eine grosse Neugier und Wertschätzung für eines der sichtbarsten Symbole der Sikh-Gemeinschaft entstanden. Henri Mugier aus der jüdischen Gemeinde Bern fasste dies für mich eindrücklich zusammen: «Ich kann mir gut vorstellen, warum Sikhs täglich einen Turban tragen. Es gibt dem Kopf zwar eine Schwere, gleichzeitig aber wird ein Bewusstsein für Geist und Körper geschaffen».

Diese schönen Erinnerungen begleiten mich in meinem neuen Lebensabschnitt im fernen Dänemark und motivieren mich für die Suche nach weiteren inspirierenden interreligiösen Begegnungen und einem Ort, der mir das Gefühl gibt, Teil von etwas Wertvollem zu sein.

Gurpreet Kaur Singh

Bei Fragen können Sie gerne mit uns Kontakt aufnehmen:

Haus der Religionen – Dialog der Kulturen
Europaplatz 1
CH – 3008 Bern

Montag bis Freitag von 9.00 – 12.00 Uhr
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